DER SANDMANN ALS STELLVERTRETER FÜR KREATIONEN DES MIERSCHER THEATER
Tief verankert in den selbstauferlegten Missionen des Mierscher Theater ist das Bestreben brandneue Stücke – Kreationen – auf die Bühne zu bringen. Durch diesen nachhaltigen Ansatz will das Theater sicherstellen, (jungen) luxemburgischen Künstler·innen Aufträge erteilen zu können und so maßgeblich zur Entwicklung der nationalen Theater- und Musikszene beizutragen. Der folgende Text zeigt verschiedene Teilaspekte einer Kreation anhand von Der Sandmann, ein in der letzten Spielzeit entstandenes visuelles Konzert.
Zeit ist ein wichtiger Faktor bei Kreationen. Immerhin vergingen zwischen dem ersten Kontakt bis hin zur Luxemburg-Premiere mehr als anderthalb Jahre. Der in Luxemburg wohnhafte Saxofonist Andreas Mader kontaktierte das Mierscher Theater am August 2022 und schrieb von einem „besonderen Projekt“ mit Live-Projektionen, das er mit seinem Duo-Partner Pianist Christos Papandreopoulos voranbringen wolle, gemeinsam mit der Theaterkompanie Fly Theatre um den Künstler Robin Beer sowie dem Gaudeamus Festival in Utrecht. Da sowohl der interdisziplinäre Ansatz – E.T.A. Hoffmanns Nachtstücke in vier Auftragskompositionen zeitgenössischer Kammermusik gefasst, unterstützt durch Videokunst – als auch die Ausrichtung des Projekts als internationale Koproduktion in das Konzept des Mierscher Theater passten, war die Entscheidung Koproduzent zu werden schnell gefasst.
Koproduzent zu sein heißt nicht nur finanzielle Unterstützung aufzubringen, sondern auch den Künstler·innen den nötigen Rahmen zu bieten, um ihrer Arbeit nachzukommen. Da das Duo Mader/Papandreopoulos in den Niederlanden basiert ist und die musikalische Arbeit vor allem dort stattfand, bot das Mierscher Theater eine einwöchige Residenz für die Endproben an.
Im August 2023, knapp ein Jahr nach der ersten Kontaktaufnahme, fanden Musik und Projektionen in der Residenz ein erstes Mal zusammen. Um der detailreichen Inszenierung gerecht zu werden, stand vor den Proben die akribische Einrichtung der Bühne an; mit Klavier, Leinwand, Video-Tisch, Projektor und Scheinwerfern.
Das klingt nicht nach viel, jedoch gab es mehrere Herausforderungen: den Videokünstler am Rande der Bühne sollte man sehen, die Musiker hinter der transparenten Leinwand hingegen sollten nicht komplett in den Projektionen verschwinden. Dazu braucht es Licht, das wiederum nicht auf die Leinwand fallen darf. Die Position des Klaviers war im Endeffekt anders als geplant und so mussten Videosequenzen neu erstellt bzw. angepasst werden. Wie so oft bei Kreationen stellt man erst auf der Bühne fest, ob die vorher angestrengten Überlegungen und Pläne wirklich das erhoffte Resultat bringen. Durch den Drang zur Perfektion aller Parteien wurde in stundenlanger Kleinstarbeit viel umgedacht und umgestellt. Dies
auch im Hinblick auf die kleineren Bühnen in Utrecht und ‘s-Hertogenbosch auf denen das Projekt genauso gut funktionieren sollte wie im Mierscher Theater.
In den Proben wurde vor allem an dem Zusammenspiel zwischen Musik und Bild gearbeitet. Die Besonderheit bei diesem Projekt lag darin, dass das gesamte Bildmaterial in großen Teilen in Echtzeit
erstellt und gesteuert wurde, was zur Komplexität des Konzerts beitrug. Der Videokünstler musste zudem in drei Tagen sämtliche Bewegungen und Abläufe auswendig lernen.
Aus der Residenzwoche gingen neben glücklichen Künstlern ebenfalls Videomaterial zur Bewerbung des Stückes sowie ein Fernseh- und ein Zeitungsbeitrag hervor. Das Publikum erhielt anlässlich einer
abschließenden offenen Probe einen Einblick in die Produktion.
Am 8. September 2023 feierte Der Sandmann beim Gaudeamus Festival seine Uraufführung, war im November 2023 bei Novembermusic in ‘s-Hertogenbosch zu Gast und kehrte am und 16. März 2024 ins Mierscher Theater für die Luxemburg-Premiere zurück. Im Rahmen des 250. Geburtstages von E.T.A. Hoffmann Anfang 2026 plant das Mierscher Theater eine Wiederaufnahme der Kreation.